Interkulturelles Wissensmanagement
Interkulturelles Wissensmanagement beschreibt alle Tätigkeiten, die darauf ausgerichtet sind, Wissen innerhalb und außerhalb einer Organisation nachhaltig zu nutzen. Im Vordergrund steht dabei die eigendynamische Gestaltung von Informations- und Kommunikationswegen, die es der Organisation und all ihren Mitgliedern ermöglichen, aus der vorhandenen kulturellen Wissensvielfalt zu schöpfen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Wissensaspekte: Über Wissen, Können und Handeln
- 2 Wissensdimensionen: implizit - explizit
- 3 Herausforderungen für das interkulturelle Wissensmanagement
- 4 Maßnahmen zur Verwirklichung eines interkulturellen Wissensmanagements
- 5 Wissensmanagementsysteme 2.0
- 6 Die Experience Map
- 7 Siehe auch
- 8 Literatur
- 9 Einzelnachweise
Wissensaspekte: Über Wissen, Können und Handeln
„Wissen ist Denken und Handeln […]“[1], Wissen beinhaltet also sowohl den kognitiven, als auch den operativen Aspekt. Im Deutschen lässt sich hier zwischen Wissen und Können unterscheiden. Diese beiden Begriffe bilden auch zwei Stufen der Wissenstreppe nach North (2016), der in seiner hierarchischen Darstellung Wissen vor Können und Handeln einordnet[2]. Wissen bezieht sich auf die Wissensinhalte, die durch Denkprozesse bewusstgemacht und durch Codes (Sprache, Bilder, etc.) artikuliert werden können. Können kann hingegen nicht so gut artikuliert, dafür aber besser demonstriert werden, da es durch Erfahrungen erworbene Wissensinhalte beinhaltet. Je nach Kontext richtet sich der Fokus im interkulturellen Wissensmanagement eher auf einen kognitiven oder einen operativen Ansatz[3]. Dabei muss aber immer situationsabhängig entschieden werden. Nichtsdestotrotz spielt der handlungsorientierte Wissensbegriff im interkulturellen Wissensmanagement eine besonders wichtige Rolle. Denn interkulturelles Wissensmanagement will die WissensträgerInnen auch zum Handeln in interkulturellen Situationen befähigen. Dafür reicht das alleinige Faktenwissen über Interkulturalität nicht aus. Erst wenn Faktenwissen im konkreten Kontext angewendet werden kann, entsteht Handlungsfähigkeit[4].
Wissensdimensionen: implizit - explizit
Die Unterscheidung in implizites und explizites Wissen ist Basis für viele Wissensmanagementansätze. So auch für das interkulturelle Wissensmanagement, welches ein aktives Einbeziehen der WissensträgerInnen erzielt und dabei versucht, die Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Umgang mit Wissen zu gestalten[5]. Implizites Wissen bezieht sich auf das Wissen, das im Kopf eines Menschen vorhanden ist und somit zunächst nur ihm selbst zugänglich ist. Es ist eng verbunden mit seinen Erfahrungen und Erlebnissen, mit seiner Geschichte und dem, was er bereits gelernt hat. All das, was eine Person zum (Über-)leben benötigt, zum Beispiel auch soziale Regeln und Verhaltensweisen, aber auch Fertigkeiten und Faktenwissen, ist implizites Wissen[6]. Als explizites Wissen bezeichnet man implizites Wissen, das durch die Wissensträger in irgendeiner Form zugänglich, also explizit, gemacht wurde. In explizierter Form als Daten können Wissensinhalte für andere zu Informationen werden. Werden diese Informationen vom Menschen als relevant betrachtet, weiterverarbeitet und wieder expliziert, entsteht explizites Wissen[7]. Dieser wechselseitige Vorgang ist grundlegend im Wissensschaffungsprozess. Die Erkenntnis über die ständige Mobilisierung und Umwandlung dieser beiden Arten von Wissen stellt auch bei der Wissensspirale nach Nonaka und Takeuchi (1997) den Schlüssel für das nachhaltige Managen von Wissen dar[8].
Herausforderungen für das interkulturelle Wissensmanagement
Eine Aufgabe des interkulturellen Wissensmanagements ist folglich die Schaffung von Prozessen, die das schwer zugängliche implizite Wissen explizit machen. Dabei ergeben sich Herausforderungen für die Organisation und ihre Mitglieder. Häufig fällt es dem Unternehmen schwer, das Wissenspotential einzelner MitarbeiterInnen zu erkennen und zu nutzen. Ein prägnantes Beispiel dafür ist der ; Hier wird nach der Rückkehr oft verpasst, das neu erlangte Wissen der Entsandten wertzuschätzen. Ihr Wissen gelangt dadurch in eine Art abgeschlossenen „Datenkeller“, wo es ungenutzt bleibt und damit für andere nicht zugänglich ist[9]. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Organisationsmitglieder nicht selten aus Angst vor Konkurrenz ihr Wissen nicht teilen wollen. Möglicherweise betrachten sich auch einige MitarbeiterInnen selbst nicht als kompetent oder erfahren genug, ihr Wissen zu teilen oder es fehlt ihnen schlicht an Kanälen, über die sie sich austauschen und vernetzen könnten. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass die für ein erfolgreiches interkulturelles Wissensmanagement erforderliche Eigendynamik eingeschränkt wird[10]. Es gilt außerdem zu beachten, dass die WissensträgerInnen, im Sinne des Multikollektivitätskonzepts, verschiedenen Kollektiven angehören, also auch unterschiedlichen Lehr- und Lerntraditionen entstammen[11]. Somit sieht sich interkulturelles Wissensmanagement zusätzlich vor der Herausforderung, diese Lehr- und Lerntraditionen miteinzubeziehen, um Wissensteilung für alle Organisationsmitglieder, unabhängig ihrer kulturellen Prägung, attraktiv zu gestalten.
Maßnahmen zur Verwirklichung eines interkulturellen Wissensmanagements
Das Management einer Organisation muss eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, wenn sie sich den Herausforderungen, die der nachhaltige Umgang mit Wissen verlangt, stellen will. Zunächst muss bei den WissensträgerInnen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Wissensteilung für alle Beteiligten nur Vorteile bringt. Das kann mithilfe spezieller Bonussysteme materieller, aber auch immaterieller Art erfolgen. Auch die Schaffung von Eigendynamik im Hinblick auf den interkulturellen Wissensaustausch kann mithilfe solcher Anreizsysteme gewährleistet werden. Des Weiteren kann es hilfreich sein, diejenigen zu ermitteln, die von sich aus besonders aktiv Wissenskommunikation betreiben; Sogenannte Promotoren. Die Angst vor Konkurrenz bei der Weitergabe persönlicher, Wissensinhalte sollte durch den Abbau von Barrieren technischer oder hierarchischer Art gemindert werden[12]. Außerdem ist die Berücksichtigung der unternehmensinternen kulturellen Vielfalt, Diversity, von Bedeutung[13]. Egal, ob die Organisation „nur“ auf nationaler oder internationaler Ebene agiert, ihre MitarbeiterInnen gehören unterschiedlichen Kollektiven an, die es zu berücksichtigen gilt. Das bedeutet unter anderem, dass die MitarbeiterInnen aufgrund ihrer sozio-kulturellen Mehrfachzugehörigkeit deutlich mehr mitbringen als ihre rein berufliche Qualifizierung. Das daraus resultierende Wissen, das sich in Fertigkeiten und Kompetenzen äußert, muss vom interkulturellen Wissensmanagement erkannt werden, um es im weiteren Prozess nutzbar zu machen. Damit dies gelingt, muss sichergestellt werden, dass sich alle Organisationsmitglieder als ExpertInnen ihres beruflichen und kulturellen Sozialisationshintergrundes ernstgenommen fühlen. Nur so kann ihnen auch das zur Wissensweitergabe notwendige Vertrauen in ihre Expertisen vermittelt werden[14].
Bei Berücksichtigung der genannten Maßnahmen kann sich ein Selbstverständnis gegenüber barrierefreier und impulsgeladener Kommunikation des Wissens zwischen allen Organisationsmitgliedern entwickeln. Das daraus entstehende Kommunikationsnetzwerk kann von den Beteiligten als eine „eigene“ Kultur wahrgenommen werden. Existieren genügend Rückkopplungseffekte in den einzelnen organisationalen Netzwerken (Kulturen), steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine organisationale interkulturelle Kompetenz ergibt, die deutlich mehr umfasst als die Summe des Wissens der einzelnen Organisationsmitglieder. Die Herausbildung organisationaler interkultureller Kompetenz ist das stärkste Argument für die Organisation, ein interkulturelles Wissensmanagement zu implementieren [15].
Wissensmanagementsysteme 2.0
Web 2.0 oder Social Software können gezielt dazu beitragen, einen effektiveren und effizienteren Umgang mit dem interkulturellen Wissen der Organisationsmitglieder zu ermöglichen, sowohl intern, als auch extern. Um Innovationen zu schaffen und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern, müssen Unternehmen das Wissen ihrer MitarbeiterInnen, KundInnen und LeistungspartnerInnen verknüpfen. Mithilfe neuer Technologien kann dies besonders unterstützt werden. Hier bieten sich unternehmensinterne Wikis oder Firmenblogs an, auf denen sich beispielsweise auch die Organisationsmitglieder von Tochtergesellschaften austauschen können. Die Kompetenzen der Mitarbeiter können im Intranet mithilfe digitalisierter Expertenplakate oder der Erstellung von Profilen dokumentiert werden. Auch Diskussionsforen bieten eine geeignete Plattform zur Vernetzung der Organisationsmitglieder. So können MitarbeiterInnen in einem bottom-up Prozess aktiv an der Teilung und Weiterverarbeitung der wichtigen Ressource Wissen mitwirken und dazu beitragen, dass das Wissensmanagementsystem eigendynamisch fortbesteht[16].
Die Experience Map
Die Experience Map, die dem Erfahrungsaustausch internationaler Studierender dient, ist ein Praxisbeispiel für ein solches webbasiertes, interkulturelles Wissensmanagementsystem. Internationalen Studierenden wird durch andere Studierende Wissen zur Verfügung gestellt, das für die Bewältigung kontextspezifischer Problemstellungen notwendig ist. Die Idee dahinter ist, dass dieses Wissen jederzeit von allen ExpertInnen ergänzt, kombiniert und weitergeteilt werden kann, wodurch der Wissensaustausch eigendynamisch immer weitergeführt werden kann.
Siehe auch
IWK Experience Map [demnächst online]
Literatur
Bolten, J. (2012). Interkulturelles Wissens- und Kommunikationsmanagement. In Museum für Kommunikation (Hg.), Störfälle – Glücksfälle. Facetten interkultureller Kommunikation. Berlin: Katalog zur Ausstellung.
Bolten, J. (2012). Interkulturelle Kompetenz. Erfurt: Landeszentrale f. polit. Bildung.
Bolten, J. (2015). Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Hasler Roumois, U. (2007). Studienbuch Wissensmanagement: Grundlagen der Wissensarbeit in Non-Profit- und Public-Organisationen. Zürich: Orell Füssli.
Nonaka, I. & Takeuchi H. (1997). Die Organisation des Wissens. Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen. Frankfurt/Main, New York: Campus Verlag.
North, K. (2016). Wissensorientierte Unternehmensführung: Wissensmanagement gestalten. Wiesbaden: Springer Gabler.
Einzelnachweise
- ↑ Hasler Roumois, U. (2007). Studienbuch Wissensmanagement: Grundlagen der Wissensarbeit in Non-Profit- und Public-Organisationen. Zürich: Orell Füssli, S. 36.
- ↑ North, K. (2016). Wissensorientierte Unternehmensführung: Wissensmanagement gestalten. Wiesbaden: Springer Gabler, S. 37 f.
- ↑ Hasler Roumois, U. (2007). Studienbuch Wissensmanagement: Grundlagen der Wissensarbeit in Non-Profit- und Public-Organisationen. Zürich: Orell Füssli, S. 36.
- ↑ North, K. (2016). Wissensorientierte Unternehmensführung. Wiesbaden: Springer Gabler, S.42.
- ↑ Hasler Roumois, U. (2007). Studienbuch Wissensmanagement: Grundlagen der Wissensarbeit in Non-Profit- und Public-Organisationen. Zürich: Orell Füssli, S. 39 f.
- ↑ Hasler Roumois, U. (2007). Studienbuch Wissensmanagement: Grundlagen der Wissensarbeit in Non-Profit- und Public-Organisationen. Zürich: Orell Füssli, S. 40.
- ↑ Hasler Roumois, U. (2007). Studienbuch Wissensmanagement: Grundlagen der Wissensarbeit in Non-Profit- und Public-Organisationen. Zürich: Orell Füssli, S. 43.
- ↑ Nonaka, I. & Takeuchi H. (1997). Die Organisation des Wissens. Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen. Frankfurt/Main, New York: Campus Verlag, S. 71ff.
- ↑ Bolten, J. (2015). Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 220 f.
- ↑ Bolten, J. (2015). Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 222.
- ↑ Bolten, J. (2012). Interkulturelle Kompetenz. Erfurt: Landeszentrale f. polit. Bildung, S. 31.
- ↑ Bolten, J. (2012). Interkulturelles Wissens- und Kommunikationsmanagement. In Museum für Kommunikation (Hg.), Störfälle – Glücksfälle. Facetten interkultureller Kommunikation. Berlin: Katalog zur Ausstellung.
- ↑ Bolten, J. (2015). Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 222.
- ↑ Bolten, J. (2012). Interkulturelles Wissens- und Kommunikationsmanagement. In Museum für Kommunikation (Hg.), Störfälle – Glücksfälle. Facetten interkultureller Kommunikation. Berlin: Katalog zur Ausstellung.
- ↑ Bolten, J. (2012). Interkulturelles Wissens- und Kommunikationsmanagement. In Museum für Kommunikation (Hg.), Störfälle – Glücksfälle. Facetten interkultureller Kommunikation. Berlin: Katalog zur Ausstellung.
- ↑ Bolten, J. (2012). Interkulturelles Wissens- und Kommunikationsmanagement. In Museum für Kommunikation (Hg.), Störfälle – Glücksfälle. Facetten interkultureller Kommunikation. Berlin: Katalog zur Ausstellung.