Culture Assimilator: Unterschied zwischen den Versionen

Aus IWKWiki
Wechseln zu: Navigation, Suche
(Literatur)
(Kritische Betrachtung)
 
Zeile 37: Zeile 37:
 
Die Effektivität der Methode wurde in zahlreichen Studien empirisch überprüft. Lerneffekte wurden dabei vorwiegend im kognitiven Bereich festgestellt. So ist der Culture Assimilator vor allem bei der Vermittlung von Informationen über Kulturen effektiv. Kritisiert wird häufig, dass durch fehlende Lerneffekte auf der Verhaltensebene keine nachhaltige Lernerfahrung erreicht werden kann. Der Einsatz der Methode in interkulturellen Trainings ermöglicht zwar das Ausprobieren verschiedener Verhaltensweisen, es handelt sich dabei aber um Simulationen und nicht um reale Interaktionen mit Mitgliedern der Zielkultur. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass nicht alle TeilnehmerInnen in der Lage sind, sich in eine Simulation hineinzuversetzen.  
 
Die Effektivität der Methode wurde in zahlreichen Studien empirisch überprüft. Lerneffekte wurden dabei vorwiegend im kognitiven Bereich festgestellt. So ist der Culture Assimilator vor allem bei der Vermittlung von Informationen über Kulturen effektiv. Kritisiert wird häufig, dass durch fehlende Lerneffekte auf der Verhaltensebene keine nachhaltige Lernerfahrung erreicht werden kann. Der Einsatz der Methode in interkulturellen Trainings ermöglicht zwar das Ausprobieren verschiedener Verhaltensweisen, es handelt sich dabei aber um Simulationen und nicht um reale Interaktionen mit Mitgliedern der Zielkultur. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass nicht alle TeilnehmerInnen in der Lage sind, sich in eine Simulation hineinzuversetzen.  
  
Ein großer Teil der Kritik bezieht sich auf das theoretische Fundament der Methode, also die Arbeit mit Critical Incidents. Die Auswahl dieser Situationen ist meist kontextbezogen und es ist nicht offensichtlich, auf welche Stichprobe sich die in den Antwortalternativen angegebenen Prozentangaben konkret beziehen. Meist wird eine Möglichkeit als die am meisten plausibel hervorgehoben. Dadurch könnte leicht der Eindruck entstehen, dass es sich dabei um „die richtige“ Möglichkeit handelt. Die ausgewählten Situationen sind zudem ausschließlich konfliktreich, was den Eindruck erwecken könnte, dass in der Zielkultur nur Probleme auftauchen werden. Zwar sind Konfliktsituationen für das interkulturelle Training praktisch, da sie kulturelle Unterschiede illustrieren, Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen als positive Anknüpfungspunkte werden dabei allerdings außer Acht gelassen.  
+
Ein großer Teil der Kritik bezieht sich auf das theoretische Fundament der Methode, also die Arbeit mit Critical Incidents. Die Auswahl dieser Situationen ist meist kontextbezogen und es ist nicht offensichtlich, auf welche Stichprobe sich die in den Antwortalternativen angegebenen Prozentangaben konkret beziehen. Meist wird eine Möglichkeit als die am meisten plausibel hervorgehoben. Dadurch könnte leicht der Eindruck entstehen, dass es sich dabei um „die richtige“ Möglichkeit handelt. Die ausgewählten Situationen sind zudem ausschließlich konfliktreich, was den Eindruck erwecken könnte, dass in der Zielkultur nur Probleme auftauchen werden. Zwar sind Konfliktsituationen für das interkulturelle Training praktisch, da sie kulturelle Unterschiede illustrieren, Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen als positive Anknüpfungspunkte werden dabei allerdings außer Acht gelassen.
Insgesamt geht die Methode von einem geschlossenen Kulturbegriff aus, das heißt, dass Kultur als etwas Abgrenzbares, Homogenes verstanden wird. Dadurch wird vernachlässigt, dass es in jeder Kultur Individuen gibt, die von den dominanten Interpretationstendenzen ihrer Kultur abweichen. Ein unreflektierter und nicht ausreichend begleiteter Einsatz der Methode kann so Tendenzen zur Stereotypisierung bzw. Generalisierung fördern. Zudem bezieht sich der kulturspezifische Culture Assimilator immer auf ein bestimmtes Handlungsfeld, in dem auch nur bestimmte Missverständnisse erfasst werden. Reale Situationen in der Zielkultur sind allerdings nicht so leicht interpretierbar wie die Fallbeispiele, da meist viel mehr Einflussfaktoren wirken. Schließlich kann ein Culture Assimilator zu Über- bzw. Kontrakorrekturen führen und ruft so eventuell interkulturelle Konflikte hervor, anstatt sie zu verhindern.  
+
 
 +
Insgesamt geht die Methode von einem geschlossenen Kulturbegriff aus, das heißt, dass Kultur als etwas Abgrenzbares, Homogenes verstanden wird. Dadurch wird vernachlässigt, dass es in jeder Kultur Individuen gibt, die von den dominanten Interpretationstendenzen ihrer Kultur abweichen. Ein unreflektierter und nicht ausreichend begleiteter Einsatz der Methode kann so Tendenzen zur Stereotypisierung bzw. Generalisierung fördern. Zudem bezieht sich der kulturspezifische Culture Assimilator immer auf ein bestimmtes Handlungsfeld, in dem auch nur bestimmte Missverständnisse erfasst werden. Reale Situationen in der Zielkultur sind allerdings nicht so leicht interpretierbar wie die Fallbeispiele, da meist viel mehr Einflussfaktoren wirken. Schließlich kann ein Culture Assimilator zu Über- bzw. Kontrakorrekturen führen und ruft so eventuell interkulturelle Konflikte hervor, anstatt sie zu verhindern.
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==

Aktuelle Version vom 1. Oktober 2015, 00:17 Uhr

Der Culture Assimilator (Kulturassimilator) (frz. Assimilation ‚Angleichen‘) ist ein schriftliches Trainingsmaterial, bestehend aus Fallbeispielen in denen Personen aus der Kultur des Trainingsteilnehmers und Personen aus der Kultur, in die der Trainingsteilnehmer reisen möchte, aufeinander treffen. Es werden Situationen geschildert, in denen es zu einem kulturellen Missverständnis kommt und die daher zu Unverständnis oder Spannungen zwischen den Beteiligten führen.

Theoretischer Hintergrund

Die Methode gehört zu den didaktischen bzw. trainerorientierten kognitiven Trainings und basiert auf der behavioristischen Lerntheorie sowie auf der Grundlage des programmierten Lernens. Lernende können sich die Inhalte selbstständig anhand schriftlicher oder digitaler Trainingsmaterialien erarbeiten. Anfangs wurden ausschließlich kulturspezifische Kulturassimilatoren entwickelt, um Mitglieder einer bestimmten Ausgangskultur auf die Kommunikation und Interaktion mit bestimmten kulturellen Gruppen einer Zielkultur vorzubereiten. Mittlerweile existieren auch kulturübergreifende Formen dieser Methode, die generelle kulturelle Unterschiede in der Kommunikation oder die kulturelle Anpassung in einer Vielzahl von Kulturen thematisieren. Ein Culture Assimilator basiert auf dem Grundsatz, dass interkulturelle Missverständnisse nicht auf unterschiedliche Verhaltensweisen zurückzuführen sind, sondern aufgrund verschiedener kultureller Interpretationsmuster entstehen. Ausgangspunkt der Methode sind die sogenannten Critical Incidents (kritische Interaktionssituationen), die im Kontext einer Interaktion zwischen Mitgliedern zweier Kulturen auftreten können. Dabei handelt es sich um konfliktreiche oder missverständliche Situationen, die es den Beteiligten unmöglich machen, die Interaktion erfolgreich zu Ende zu bringen.

Inhalt und Aufbau

Die inhaltliche Ausrichtung der Methode richtet sich nach verschiedenen Bedingungsfaktoren und wird auf den Lehr-/Lernkontext und die Zielgruppe angepasst. Das Training teilt sich anhand von Kulturstandards in verschiedene Themenbereiche, denen jeweils mehrere nach Schwierigkeit geordnete Critical Incidents bzw. Fallbeispiele zugeordnet sind. In den Fallbeispielen werden beispielsweise mögliche Ursachen für das Verhalten des Mitglieds der Zielkultur vorgeschlagen. Die Lernenden müssen sich entscheiden, welche Alternative sie für am meisten plausibel halten. In neueren Culture Assimilators werden die Möglichkeiten auf einer Skala von sehr zutreffend bis nicht zutreffend bewertet. Danach wird jede Antwortalternative einzeln erläutert. Anschließend werden Hintergrundinformationen geliefert und beschrieben, wie ein sinnvolles Verhalten in der geschilderten Situation aussehen kann. Nachdem die Teilnehmenden mehrere Fallbeispiele eines Themenkomplexes bearbeitet haben, werden Informationen zu den zu Grunde liegenden Kulturstandards und ihrer kulturhistorischen Verankerung gegeben. Da die Methode immer die Perspektive einer Ausgangs- und einer Zielkultur einbezieht, muss sowohl für jeden bikulturellen Kontext als auch für jede der beiden beteiligten kulturellen Perspektiven ein spezifischer Culture Assimilator entwickelt werden.

Lernziele

Obwohl der Culture-Assimilator-Ansatz primär eine kognitive Methode des interkulturellen Trainings ist, besteht die Annahme, dass damit interkulturelles Lernen ebenfalls auf der affektiven und auf der behavioralen Ebene beeinflusst werden kann und es so zu einer Steigerung der interkulturellen Kompetenz der Lernenden kommt. Im Einzelnen sollen auf den verschiedenen Ebenen je nach Lernkontext und Zielgruppe u.a. folgende Lernziele erreicht werden:

Kognitive Ebene

  • Wissenserwerb über Elemente der Zielkultur sowie Verinnerlichung und Anwendung des erworbenen Wissens
  • Fähigkeit, eine Situation aus der Perspektive der Zielkultur wahrnehmen zu können
  • Entwicklung von Erwartungen für die Interaktion mit Mitgliedern einer bestimmten Zielkultur
  • Fähigkeit, isomorphe Attribuierungen vorzunehmen, also zu lernen wie die Mehrheit der Angehörigen einer bestimmten Zielkultur eine Situation oder ein Verhalten attribuieren (= deuten, eine Ursache zuschreiben)
  • Reflexion der eigenkulturellen Prägung im Wahrnehmen, Denken und Handeln

Behaviorale Ebene

  • Erweiterung eigener Handlungsschemata durch Anwendung kulturadäquater Strategien
  • Handlungsfähigkeit in der Zielkultur und „kulturangepasstes“ Verhalten

Affektive Ebene

  • Reduktion von Unsicherheit und Stress durch Kennenlernen konkreter Konfliktsituationen und das Verstehen fremdkultureller Handlungsmotive
  • Entwicklung positiver Einstellungen zu den Angehörigen der Zielkultur

Zielgruppen

Entwickelt in den sechziger Jahren an der Universität Illinois, um die Kommunikation in kulturell heterogenen Arbeitsgruppen zu verbessern, wurden Kulturassimilatoren anfangs vor allem genutzt, um US-amerikanische Armeeoffiziere auf Auslandseinsätze vorzubereiten. Weitere Zielgruppen waren weiße AmerikanerInnen der Mittelschicht, z.B. LehrerInnen, die mit verschiedenen ethnischen Minderheiten arbeiteten. In Deutschland wurde die Methode Anfang der neunziger Jahre u.a. von Alexander Thomas eingeführt.

Der Culture-Assimilator-Ansatz ist für die Vorbereitung internationaler und intranationaler kultureller Begegnungen von Nutzen. Er eignet sich besonders für solche Zielgruppen, die in kurzer Zeit etwas über eine bestimmte Zielkultur erfahren wollen. Zudem bietet sich die Methode für Lernende mit wenig Auslandserfahrung an. Wichtige Zielgruppen sind SchülerInnen und StudentInnen, Geschäftsleute, die auf eine Auslandsentsendung vorbereitet werden sollen, sowie in der Entwicklungszusammenarbeit tätige Personen.

Einsatz im interkulturellen Training

Es gibt verschiede Möglichkeiten, einen Culture Assimilator in einem angeleiteten interkulturellen Gruppentraining einzusetzen. Beispielsweise können TeilnehmerInnen die kulturellen Themenkomplexe, die in den Fallbeispielen vorkommen, beschreiben. Die Fallbeispiele können auch in Form von Rollenspielen eingesetzt werden, um ein aktives Hineinversetzen in die beschriebenen Fälle zu ermöglichen. Verschiedene relevante Situationen, die mit dem Eintritt in die Zielkultur verbunden sind, können in einem Training simuliert werden und so ein interaktives und eventuell sogar erfahrungsbasiertes Lernen fördern, was allerdings umstritten ist. Die Lerninhalte eines Culture Assimilators können in einem interkulturellen Training kontextualisiert und aktualisiert werden.

Kritische Betrachtung

Die Effektivität der Methode wurde in zahlreichen Studien empirisch überprüft. Lerneffekte wurden dabei vorwiegend im kognitiven Bereich festgestellt. So ist der Culture Assimilator vor allem bei der Vermittlung von Informationen über Kulturen effektiv. Kritisiert wird häufig, dass durch fehlende Lerneffekte auf der Verhaltensebene keine nachhaltige Lernerfahrung erreicht werden kann. Der Einsatz der Methode in interkulturellen Trainings ermöglicht zwar das Ausprobieren verschiedener Verhaltensweisen, es handelt sich dabei aber um Simulationen und nicht um reale Interaktionen mit Mitgliedern der Zielkultur. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass nicht alle TeilnehmerInnen in der Lage sind, sich in eine Simulation hineinzuversetzen.

Ein großer Teil der Kritik bezieht sich auf das theoretische Fundament der Methode, also die Arbeit mit Critical Incidents. Die Auswahl dieser Situationen ist meist kontextbezogen und es ist nicht offensichtlich, auf welche Stichprobe sich die in den Antwortalternativen angegebenen Prozentangaben konkret beziehen. Meist wird eine Möglichkeit als die am meisten plausibel hervorgehoben. Dadurch könnte leicht der Eindruck entstehen, dass es sich dabei um „die richtige“ Möglichkeit handelt. Die ausgewählten Situationen sind zudem ausschließlich konfliktreich, was den Eindruck erwecken könnte, dass in der Zielkultur nur Probleme auftauchen werden. Zwar sind Konfliktsituationen für das interkulturelle Training praktisch, da sie kulturelle Unterschiede illustrieren, Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen als positive Anknüpfungspunkte werden dabei allerdings außer Acht gelassen.

Insgesamt geht die Methode von einem geschlossenen Kulturbegriff aus, das heißt, dass Kultur als etwas Abgrenzbares, Homogenes verstanden wird. Dadurch wird vernachlässigt, dass es in jeder Kultur Individuen gibt, die von den dominanten Interpretationstendenzen ihrer Kultur abweichen. Ein unreflektierter und nicht ausreichend begleiteter Einsatz der Methode kann so Tendenzen zur Stereotypisierung bzw. Generalisierung fördern. Zudem bezieht sich der kulturspezifische Culture Assimilator immer auf ein bestimmtes Handlungsfeld, in dem auch nur bestimmte Missverständnisse erfasst werden. Reale Situationen in der Zielkultur sind allerdings nicht so leicht interpretierbar wie die Fallbeispiele, da meist viel mehr Einflussfaktoren wirken. Schließlich kann ein Culture Assimilator zu Über- bzw. Kontrakorrekturen führen und ruft so eventuell interkulturelle Konflikte hervor, anstatt sie zu verhindern.

Literatur

  • Aoki, J. (1992). Effects of the Culture Assimilator on Cross-Cultural Understanding and Attitudes of College Students . JALT Journal, Vol. 14, No. 2, S.107-125.
  • Albert, R.D. (1995). The Intercultural Sensitizer/Culture Assimilator as a Cross-Cultural Training Method. In: Fowler, S. M., Mumford, M. G. (Eds.), Intercultural Sourcebook: Cross- Cultural Training Methods, Intercultural Press, Inc., Vol. 1, S. 157- 167.
  • Bannenberg, A. (2010). Die Bedeutung interkultureller Kommunikation in der Wirtschaft. Theoretische und empirische Erforschung von Bedarf und Praxis der interkulturellen Personalentwicklung anhand einiger deutscher Großunternehmen der Automobil- und Zuliefererindustrie.
  • Fiedler, F.E., Mitchell, T., Triandis, H.C. (1970). The Culture Assimilator: An Approach to Cross- Cultural Training. Technical Report 70-5.
  • Kosowski, C. (2010). Methodenkurzdarstellung: Kulturassimilator. In: Gundula Gwenn Hiller, Stefanie Vogler-Lipp (Hrsg.): Schlüsselqualifikation interkulturelle Kompetenz an Hochschulen: Grundlagen, Konzepte, Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenscchaften, S. 368-370.
  • Kovacova, M. (2010): Komparative Evaluation kulturspezifischer didaktischer und erfahrungsorientierter interkultureller Trainings. Frankfurt am Main: Lang.
  • Saure, I. K., Tillmans, A., Thomas, A. (2006). Entwicklungszusammenarbeit in Indien. Trainingsprogramm für Fach- und Führungskräfte . Nordhausen: Bautz.
  • Polfuß, J. (2012). Kritischer Kulturassimilator Deutschland für chinesische Teilnehmende. In: Interculture Journal. Heft 17, S. 27-49.